Google bietet über seine Online-Textverarbeitung Google Docs auch eine Diktierfunktion an. Die kann mittlerweile mindestens ebenso viel wie Programme, für die mehrere Hundert Euro auf den Tisch gelegt werden müssen. Dennoch nervt die Spracheingabe mit Unzulänglichkeiten, über die man nur am Anfang lachen kann. Lohnt sich das Diktieren über Google Docs trotzdem?
Sprechen statt tippen ist seit mehreren Jahrzehnten ein Versprechen der Software-Industrie, das erst in den letzten Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Mit dem Aufkommen digitaler Assistenten wie Alexa, Siri und dem Google Assistant ist die Hemmschwelle bei Nutzern gesunken, sich mit einer Maschine zu unterhalten. Dass Google mehr versteht als einfache Befehle, lässt sich bei der Spracheingabe von Google Docs sehr eindrucksvoll erleben.
Warum Google Docs statt Nuance? Für explizite Diktiersoftware muss auch heute noch ein unverschämt hoher Betrag aus dem Portemonnaie geholt werden. Die Programme alter Garde sind dabei nicht selten in den letzten Jahren entweder kaum oder gar nicht weiterentwickelt worden, wie ich feststellen musste. Einen mittleren dreistelligen Betrag wollen die Firmen aber dennoch gerne einsacken, wenn es mehr sein soll als eine deutlich beschnittene Basisversion. Alleine deshalb lohnt sich zumindest ein Blick auf das, was Google bei seiner eigenen Textverarbeitung kostenfrei anbietet.
Sprechen statt schreiben: Google Docs will nur mit Chrome
Aus Gründen, die Google hoffentlich besser versteht als ich, wird die Spracheingabe bei Google Docs nur vom Chrome-Browser unterstützt. Wer mit Firefox oder Safari die Diktierfunktion aufrufen möchte, der wird von einem leeren Menü überrascht, welches sich nur bei Chrome mit dem entscheidenden Eintrag „Spracheingabe“ bemerkbar macht.
Googles Diktierfunktion unterstützt mittlerweile einige Sprachen, darunter auch Deutsch. Genau hier beginnt allerdings eine Schwierigkeit, die mit den nicht gerade unwesentlichen Unterschieden bei Grammatik und Rechtschreibung zu tun hat. Versteht Google ein deutsches Substantiv mal nicht, dann wird es konsequent kleingeschrieben. Im Englischen ergibt das durchaus Sinn, im Deutschen natürlich nicht.
Die Spracheingabe von Google Docs ist sich auch nicht zu schade, im Deutschen das eine oder andere Deppenleerzeichen einzufügen. Hier rächt sich wohl, dass die Deutschen mittlerweile ihre elend langen Wörter lieber auseinanderschreiben. Google hat das wahrscheinlich einfach gelernt – und letztlich als richtig akzeptiert. Zusammengesetzte Substantive gefallen Google Docs so wenig, dass die Textverarbeitung solche auch gerne mal als Fehler markiert. Das geschieht allerdings unabhängig davon, ob das Compound Noun nun gesprochen oder geschrieben wird.
Nutzloses Wörterbuch: Google hört sich selbst nicht zu
Google Docs besitzt ein internes Wörterbuch, in das Nutzer eigene Wörter eintragen können. Das kann zum Beispiel dann helfen, wenn man einfach nicht dazulernt und bestimmte Wörter immer wieder falsch schreibt. In diesem Fall findet dann eine automatische, lautlose und schmerzfreie Korrektur statt. Leider gilt das nur bei geschriebenen, nicht aber bei gesprochenen Wörtern. Die Diktierfunktion weigert sich hartnäckig, Benutzereinträge im Wörterbuch als solche zu erkennen. Wenn die Spracheingabe ein Wort falsch aufschreibt, dann macht sie das immer und immer wieder. Googles Fehler automatisch mit dem Wörterbuch korrigieren zu lassen ist also leider nicht möglich.
Kurios bleibt auch, warum die allermeisten Sprachbefehle wie „Absatz auswählen“ auf Deutsch nicht zur Verfügung stehen. In den meisten Fällen schreibt Google den Befehl einfach störrisch auf, statt ihn auszuführen. Alternativ die Befehle auf Englisch auszusprechen („Select paragraph“) hilft auch nicht, da Google nicht zwei Sprachen gleichzeitig verstehen kann. Die Diktierfunktion wiederum auf Englisch umzustellen bringt nur etwas, wenn Englisch im Google-Konto als Sprache ausgewählt ist.
Mit Google Docs reden: Zeitersparnis vs. Tippersparnis
Ob das Voice Typing bei Google Docs Zeit spart, hängt letztlich vom Umfang und den eigenen Tippgewohnheiten ab. Wer ohnehin fehlerfrei und rasend schnell schreibt, der wird mit der Diktierfunktion sicher keine Geschwindigkeitsrekorde brechen. Da Google selbst eigene Fehler hinzufügt, müssen erstellte Texte in jedem Fall korrigiert werden. Hat man sich mit den Eigenarten vertraut gemacht, fällt diese Korrektur entsprechend kürzer aus.
Für Vielschreiber kann sich die Diktierfunktion dennoch lohnen. Sprechen geht in der Regel einfacher von der Hand(!) als tippen. Ich selbst habe gemerkt, dass ich beim Diktieren weniger schnell ermüde. Das führt in meinem Fall letztlich dazu, dass ich mehr Inhalte erstellen kann. Schneller ist meine Texterstellung dadurch aber nicht geworden. Die Zeitersparnis wird von der nachträglichen Korrektur aufgefressen.
3 comments
Was halten Sie von diesem Artikel? :)Andre - 2. Dezember 2021
Bei mir funktioniert der Befehl Zeile und Absatz einfügen nicht. Habe schon alle Befehle gesprochen. Es wird aber immer ausgeschrieben. Haben Sie einen Tipp?
Christian - 10. November 2022
„Neuer Absatz“ und „Neue Zeile“ werden hinter einem Interpunktionszeichen und bei flüssigem Sprechen richtig erkannt.
Simon - 3. Dezember 2021
Hallo Andre! Die Befehle funktionieren leider nach wie vor nicht bei der deutschen Spracheingabe, wie im Artikel beschrieben.